
Le sel noir. Perspektiven Schwarzer Gegenwartskunst
Valerie Asiimwe Amani, Lisa Marie Asubonteng, Sonia E. Barrett, Syowia Kyambi, Mónica de Miranda, Nástio Mosquito, Harold Offeh, Ngozi Schommers, Usha Seejarim und Lerato Shadi15.03. bis 15.06.25
Le sel noir (schwarzes Salz), benannt nach einem Gedichtzyklus von 1960 des aus Martinique stammenden Dichters und Denkers Édouard Glissant, ist ein Ausstellungsprojekt der Städtischen Galerie Villingen-Schwenningen. Inspiriert vom Autor der Philosophie der Weltbeziehung, dem Theoretiker der All-Welt und der Relation, präsentiert die Ausstellung postautonome Kunst der jungen Gegenwart, die sich mit Schwarzer Subjektivität beschäftigt.
Als Kategorie der Identifikation und Zugehörigkeit ist Schwarze Subjektivität ein Bezugspunkt der Selbsteinschätzung. Angesichts ethnisierter Verhältnisse in der Welt ist sie damit auch eine Stütze im Kampf um Anerkennung und Gleichberechtigung Schwarzer Menschen. Die Ausstellung knüpft daran an und bereitet die Komplexität des Selbst im Spannungsfeld von Selbst- und Fremdzuschreibung auf.
In diesem Rahmen setzt sich Le sel noir kritisch mit dysfunktionalen Verhältnissen zwischenmenschlicher Interaktionen auseinander, die sie mit ästhetischen Mitteln umzukehren sucht. Unter die Lupe nimmt sie das Missverhältnis, das entsteht, wenn die Begegnung zwischen von Rassismus nicht Betroffenen und Rassifizierten von einer Überidentifikation geprägt ist, die Letztere zu Hilfsbedürftigen macht. Eine in westlichen Industrieländern verbreitete Tendenz, die sich zwar gegen offenen Rassismus und ethnisierte Gewalt wendet, aber unter dem Eindruck einer engagierten Hilfeleistung Asymmetrien eher perpetuiert als überwindet.
Das Schwarze Subjekt gilt aufgrund der Attribute, die in seiner Haut kulturell hypostasiert werden, als das Paradigma schlechthin für Fremdbezüge und paternalistische Projektionen. In seiner Haut scheint nicht nur die Grundlage seiner Selbstbeschreibung und Fremdzuschreibung unvermittelt zu liegen. Auch die Geschichte seiner Unterdrückung, die es mit dem afrikanischen Kontinent verbindet, scheint unumkehrbar in seine Epidermis eingeschrieben zu sein. Und dies wiederum begünstigt fremde Bezugnahmen, die Schwarze Menschen pauschal – guten oder schlechten Willens – zum Hilfsbedürftigen machen.
Le sel noir will eine Umkehrung durch Kunst und Poetik vollziehen. Vor dem Hintergrund ethnisierter Weltverhältnisse reflektiert sie aus der Perspektive Schwarzer Künstlerinnen und Künstler über Macht, Repräsentation und zwischenmenschliche Interaktionen. Sie beleuchtet die komplexen Dynamiken des Selbst zwischen Selbstbehauptung und Fremdwahrnehmung, wirft einen kritischen Blick auf strukturelle Asymmetrien und habitualisierte Paternalismen und schafft Räume für die Selbstermächtigung. Sie antwortet mit Kunst und Poetik und konfrontiert mit ‚Opazität‘ (Glissant), der Komplexität, Tiefe und Unergründlichkeit des Selbst, das in der transkulturellen Begegnung zum Vorschein kommt. In der Ausstellung Le sel noir geht es also nicht um die Hautfarbe von Menschen, sondern um ihre Kämpfe um Anerkennung und Gleichberechtigung. Die postautonome Kunst der jungen Gegenwart, die in ihrem Anspruch, über das rein Ästhetische hinauszugehen, mehr ist als nur Kunst, spielt in diesen Kämpfen eine wichtige Rolle.
Le sel noir versteht sich einerseits als Beitrag zum Selbstverständigungsprozess der Gesellschaft, angenommen als plural, offen und gleichberechtigt, und andererseits als immanente Gesellschaftskritik. Sie knüpft an die Fähigkeit der Kunst an, die Analyse der Gesellschaft voranzutreiben, und erhebt damit den doppelten Anspruch, die ästhetische Erfahrung in der Gesellschaft und die gesellschaftliche Selbstverständigung zu fördern. Die Ausstellung entzieht sich dementsprechend essentialistischen Zuschreibungen, Identitätsfestlegungen sowie der Reproduktion gesellschaftlicher Dualismen.
Die Ausstellung wird kuratiert von Dr. Alejandro Perdomo Daniels, Leiter der Städtischen Galerie Villingen-Schwenningen. Sie wird von einer umfangreichen Publikation und einem vielfältigen Bildungs- und Vermittlungsprogramm begleitet. Nach der Präsentation in Villingen-Schwenningen wird Le sel noir in der Städtischen Galerie Bremen, Kooperationspartnerin des Projektes, zu sehen sein.